Leserbrief von Klaus Ratschiller zur Dolm/Hero-Rubrik im Falter, ungekürzt
Diese Woche brachte der Falter (Nr.42/08, S.4) einen Leserbrief von Klaus Ratschiller, allerdings um einige entscheidende (hier fette) Passagen gekürzt; hier der ungekürzte Leserbrief, der übrigens noch vor letztem Samstag verfasst wurde, als die fremdländischen Thujenhecken (vgl. hier) so heimtückisch zuschlugen.
Betr: Falter, „Dolm/Hero Wertungsexzess“
Eine Zeitung ist die Art und Weise, wie sie erscheint. Insofern ist ein Relaunch ein genau zu beobachtender Vorgang und bleibt zugleich, so muss man wohl ökonomisch bei Sinnen bleiben, das Ergebnis einer Kalkulation. Um drohenden Absatzschwierigkeiten zuvorzukommen wird das Alte an einen als neu halluzinierten Geschmack angepasst. Es geht also um die erfolgreichere Wiederkehr des Alten in neuen Gewändern.
Ein Relaunch wiederholt zentrale Wertungsmuster in neuem Design, so können sich auch die LeserInnen wie in einem Spiegel als dieselben Junggebliebenen wiedererkennen. Ich kenne viele (auch in mir), die sich selbst in der Rubrik Dolm/Hero wöchentlich und im Jahresrückblick ihrer eigenen intellektuellen Überlegenheit und Tapferkeit vergewissern. Ein angenehmer Wertungsexzess. Es gibt aber Momente, in denen die Differenz, entlang derer man Wertschätzungen vorzunehmen beliebte, obsolet wird. Viele Momente. Oft sehr riskante.
Am 8.10. etwa konnte man auf völlig ungefährliche Weise einen vorm Bildschirm erleben: In Talk of Town auf Puls 4, also einer Sendung, die ein privatwirtschaftlicher Relaunch einer öffentlichen Debatte ist, berichtete anfangs ein tschetschenischer und mittlerweile in Österreich studierender Asylant in knappen Sätzen, wie eine fünfköpfige Familie in Döbriach am Millstättersee untergebracht worden war. Danach wurde der Pressesprecher H*id*rs und zukünftige Nationalratsabgeordnete St*fan P*tzn*r zum Reden aufgefordert, was ihm keine Schwierigkeiten machte: Ein Asylant sei ein Gast, und wenn es ihm nicht passt, dann....
P*tzn*r ist der nächste Relaunch des Rechtsradikalismus, den alten Modellen schon wieder zum Verwechseln ähnlich, grinsend, locker im Spielbein, hart im Standbein, mit vier Zetteln ohne Nervosität spielend, erbarmungslos und überlegen, weil vollkommen rücksichtslos einen (bis zuletzt natürlich auch billig zu habenden) medialen Konsens durchbrechend: Auf betroffen machende Geschichten reagiere man zuerst mit Gesten und Formeln der Betroffenheit. Dieser Lack ist ab, denn P*tzn*r ist kein Dolm.
Es gibt Momente, nach denen ein Relaunch nicht nur Schrifttypen oder Raumverteilungen, Heftklammern oder die Gesichter der KolumnistInnen erfassen muss, sondern die Differenzen selbst, zwischen denen eine Blattlinie verläuft. Etwa die von Dolm/Hero, damit ein P*tzn*r in ihr erst gar nicht auf- und gleich wieder untertauchen kann. (Übrigens: War der Idiot nicht schon immer eine viel zu wertvolle Figur, um sie so günstig preiszugeben?)
Ich fordere den Falter auf, seinen Relaunch nicht zu beenden, und die allseits beliebte Differenz Dolm/Hero mindestens durch die problematische der Feinde der/Menschenrechte zu ersetzen. Das sind Fragen der Empfindlichkeit, des Geschmacks und der Politik in einem Land, in dem der Relaunch seine Meister ohnehin bei den Rechtsradikalen hat.
(Klaus Ratschiller, freier Schriftsteller)
Betr: Falter, „Dolm/Hero Wertungsexzess“
Eine Zeitung ist die Art und Weise, wie sie erscheint. Insofern ist ein Relaunch ein genau zu beobachtender Vorgang und bleibt zugleich, so muss man wohl ökonomisch bei Sinnen bleiben, das Ergebnis einer Kalkulation. Um drohenden Absatzschwierigkeiten zuvorzukommen wird das Alte an einen als neu halluzinierten Geschmack angepasst. Es geht also um die erfolgreichere Wiederkehr des Alten in neuen Gewändern.
Ein Relaunch wiederholt zentrale Wertungsmuster in neuem Design, so können sich auch die LeserInnen wie in einem Spiegel als dieselben Junggebliebenen wiedererkennen. Ich kenne viele (auch in mir), die sich selbst in der Rubrik Dolm/Hero wöchentlich und im Jahresrückblick ihrer eigenen intellektuellen Überlegenheit und Tapferkeit vergewissern. Ein angenehmer Wertungsexzess. Es gibt aber Momente, in denen die Differenz, entlang derer man Wertschätzungen vorzunehmen beliebte, obsolet wird. Viele Momente. Oft sehr riskante.
Am 8.10. etwa konnte man auf völlig ungefährliche Weise einen vorm Bildschirm erleben: In Talk of Town auf Puls 4, also einer Sendung, die ein privatwirtschaftlicher Relaunch einer öffentlichen Debatte ist, berichtete anfangs ein tschetschenischer und mittlerweile in Österreich studierender Asylant in knappen Sätzen, wie eine fünfköpfige Familie in Döbriach am Millstättersee untergebracht worden war. Danach wurde der Pressesprecher H*id*rs und zukünftige Nationalratsabgeordnete St*fan P*tzn*r zum Reden aufgefordert, was ihm keine Schwierigkeiten machte: Ein Asylant sei ein Gast, und wenn es ihm nicht passt, dann....
P*tzn*r ist der nächste Relaunch des Rechtsradikalismus, den alten Modellen schon wieder zum Verwechseln ähnlich, grinsend, locker im Spielbein, hart im Standbein, mit vier Zetteln ohne Nervosität spielend, erbarmungslos und überlegen, weil vollkommen rücksichtslos einen (bis zuletzt natürlich auch billig zu habenden) medialen Konsens durchbrechend: Auf betroffen machende Geschichten reagiere man zuerst mit Gesten und Formeln der Betroffenheit. Dieser Lack ist ab, denn P*tzn*r ist kein Dolm.
Es gibt Momente, nach denen ein Relaunch nicht nur Schrifttypen oder Raumverteilungen, Heftklammern oder die Gesichter der KolumnistInnen erfassen muss, sondern die Differenzen selbst, zwischen denen eine Blattlinie verläuft. Etwa die von Dolm/Hero, damit ein P*tzn*r in ihr erst gar nicht auf- und gleich wieder untertauchen kann. (Übrigens: War der Idiot nicht schon immer eine viel zu wertvolle Figur, um sie so günstig preiszugeben?)
Ich fordere den Falter auf, seinen Relaunch nicht zu beenden, und die allseits beliebte Differenz Dolm/Hero mindestens durch die problematische der Feinde der/Menschenrechte zu ersetzen. Das sind Fragen der Empfindlichkeit, des Geschmacks und der Politik in einem Land, in dem der Relaunch seine Meister ohnehin bei den Rechtsradikalen hat.
(Klaus Ratschiller, freier Schriftsteller)
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Politik - Sa, 18. Okt. 2008, 08:30