Günter Brus und die dann doch gemalte Hausnummer
Mein erster Auftrag, ein Kunstwerk gegen Honorar zu schaffen, kam von einem Landwirt. Ich sollte sein Gehöft naturgetreu auf den Malblock bannen. Leide erging ich mich dabei in der Manier der Impressionisten, und der Bauer rief aus: ‚Da erkannt man ja keinen einzigen Ziegel, dabei habe ich das Dach komplett neu decken lassen!’ Ich zitterte um mein Honorar und versuchte dann, jeden einzelnen Biberschwanz in das hingetuschte Rostrot einzubringen.
Als ich diesen mühseligen Akt vollzogen hatte, meinte der Bauer: ‚Aber der Kirschbaum hat überhaupt keine Blätter!’ Ich brachte Blatt um Blatt dann in das hingetuschte Laubgrün ein, meinem Honorar entgegenzitternd. ‚Aber die Hausnummer kann ja keiner lesen, die Nummer 16!’ sagte der Bauer. Ich tüftelte diese Nummer in das hingetuschte Schild, und er händigte mir einige Himbeerbrausepulverbriefchen aus und eine Extrawurstsemmel.
Heute bekommt der Zöllner Rousseau pro Dachziegel, Kirschbaumblatt und Hausnummer wohl an die tausend Francs. So gesehen aber müßte Mark Rothko pro Bild leer ausgehen.
Brus, Günter: Die gute alte Zeit. Salzburg/Wien: Jung und Jung, 2002, S. 131.
Als ich diesen mühseligen Akt vollzogen hatte, meinte der Bauer: ‚Aber der Kirschbaum hat überhaupt keine Blätter!’ Ich brachte Blatt um Blatt dann in das hingetuschte Laubgrün ein, meinem Honorar entgegenzitternd. ‚Aber die Hausnummer kann ja keiner lesen, die Nummer 16!’ sagte der Bauer. Ich tüftelte diese Nummer in das hingetuschte Schild, und er händigte mir einige Himbeerbrausepulverbriefchen aus und eine Extrawurstsemmel.
Heute bekommt der Zöllner Rousseau pro Dachziegel, Kirschbaumblatt und Hausnummer wohl an die tausend Francs. So gesehen aber müßte Mark Rothko pro Bild leer ausgehen.
Brus, Günter: Die gute alte Zeit. Salzburg/Wien: Jung und Jung, 2002, S. 131.
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Hausnummerierung - Di, 20. Nov. 2007, 09:00