Antisemitismus im österreichischen Gewerbe
Stefan Emingers Dissertation über das österreichische Gewerbe 1930-1938 ist nunmehr als Buch erschienen. Im Kapitel Antisemitismus als Integrationsvehikel schreibt der Autor:
Wie schon erwähnt, waren antisemitische Tendenzen im österreichischen Gewerbe der Zwischenkriegszeit weit verbreitet, und schon vor der Etablierung der bürgerlichen Diktatur schwollen sie insbesondere zur Zeit des christlichen Weihnachtsfestes an, um danach wieder zurückzugehen.[Fn] In der Gewerbepresse waren bis etwa 1936 antijüdische Ausfälligkeiten noch relativ selten zu finden, seit Herbst 1936 ist eine deutliche Zunahme der antisemitischen Agitation v.a. in Wien und teilweise auch in Niederösterreich konstatierbar. Eine weitere signifikante Steigerung des halb-offiziellen Antisemitismus des ÖGWB [Österreichischer Gewerbebund] bedeutete die auch im Ausland Aufsehen erregende Boykottaktion der Wiener Ortsgruppe Alsergrund "Christen, kauft bei Christen!",[Fn] und diese intensive antisemitische Propaganda wurde bis zum "Anschluss" beibehalten und von den Nationalsozialisten dann bruchlos weitergeführt.
Die Stadtgruppe Wien des ÖGWB unter ihrem Obmann Vizebürgermeister Dr. Josef Kresse knüpfte an die judenfeindliche antikapitalistische und antimarxistische katholische Soziallehre Karl von Vogelsangs an und orientierte sich ostentativ an der antisemitischen Agitation Luegers.[Fn] Die judenfeindliche Tradition im Wiener Gewerbe, die in den Zwanziger und Anfang der Dreißiger Jahre im Deutschösterreichischen Gewerbebund etwas zurückgestellt worden war, wurde nun wieder öffentlich gepflegt, und durch die schärfere Akzentuierung eines gemeinsamen Feindbildes sollte auch der seit der organisatorischen Vereinheitlichung forcierten Fraktionierung des "bodenständigen Gewerbes" entgegengewirkt werden.
Die Ausgrenzung von Gewerbetreibenden, die vom ÖGWB als nicht "bodenständig" definiert wurden, äußerte sich in Wien und Niederösterreich schon in der Weigerung, diese Menschen in den ÖGWB aufzunehmen.[Fn] Der Wiener Obmann Kresse sagte das ganz offen: "Nie werde ich dulden, daß sich Elemente auf Kosten der bodenständigen und ehrlich arbeitenden Kollegen bereichern. Und ich lehne es ab, die Zahl der Gewerbebundmitglieder mit derartigen Fremdlingen zu vermehren."[Fn] Mit diesem Ausschluss waren handfeste wirtschaftliche Benachteiligungen verbunden. Denn ohne Mitgliedschaft beim ÖGWB war eine Beteilung mit den begehrten öffentlichen Lieferaufträgen sehr unwahrscheinlich,[Fn] und auch die Bekleidung einer Funktion im Pflichtverband des Gewerbes, dem BDÖG [Bund der österreichischen Gewerbetreibenden], war damit vereitelt. Offenkundig galt diese antisemitische Norm auch für die 730 Beamten des BDÖG. Denn im Zuge der "Säuberungsaktionen" in den Bünden nach dem "Anschluss" konnten die Nationalsozialisten feststellen: "Juden waren beim Gewerbebund nicht beschäftigt."[Fn]
EMINGER, Stefan: Das Gewerbe in Österreich 1930-1938. Organisationsformen, Interessenpolitik und politische Mobilität. Innsbruck/Wien: Studienverlag, 2005, S. 181f.
Wie schon erwähnt, waren antisemitische Tendenzen im österreichischen Gewerbe der Zwischenkriegszeit weit verbreitet, und schon vor der Etablierung der bürgerlichen Diktatur schwollen sie insbesondere zur Zeit des christlichen Weihnachtsfestes an, um danach wieder zurückzugehen.[Fn] In der Gewerbepresse waren bis etwa 1936 antijüdische Ausfälligkeiten noch relativ selten zu finden, seit Herbst 1936 ist eine deutliche Zunahme der antisemitischen Agitation v.a. in Wien und teilweise auch in Niederösterreich konstatierbar. Eine weitere signifikante Steigerung des halb-offiziellen Antisemitismus des ÖGWB [Österreichischer Gewerbebund] bedeutete die auch im Ausland Aufsehen erregende Boykottaktion der Wiener Ortsgruppe Alsergrund "Christen, kauft bei Christen!",[Fn] und diese intensive antisemitische Propaganda wurde bis zum "Anschluss" beibehalten und von den Nationalsozialisten dann bruchlos weitergeführt.
Die Stadtgruppe Wien des ÖGWB unter ihrem Obmann Vizebürgermeister Dr. Josef Kresse knüpfte an die judenfeindliche antikapitalistische und antimarxistische katholische Soziallehre Karl von Vogelsangs an und orientierte sich ostentativ an der antisemitischen Agitation Luegers.[Fn] Die judenfeindliche Tradition im Wiener Gewerbe, die in den Zwanziger und Anfang der Dreißiger Jahre im Deutschösterreichischen Gewerbebund etwas zurückgestellt worden war, wurde nun wieder öffentlich gepflegt, und durch die schärfere Akzentuierung eines gemeinsamen Feindbildes sollte auch der seit der organisatorischen Vereinheitlichung forcierten Fraktionierung des "bodenständigen Gewerbes" entgegengewirkt werden.
Die Ausgrenzung von Gewerbetreibenden, die vom ÖGWB als nicht "bodenständig" definiert wurden, äußerte sich in Wien und Niederösterreich schon in der Weigerung, diese Menschen in den ÖGWB aufzunehmen.[Fn] Der Wiener Obmann Kresse sagte das ganz offen: "Nie werde ich dulden, daß sich Elemente auf Kosten der bodenständigen und ehrlich arbeitenden Kollegen bereichern. Und ich lehne es ab, die Zahl der Gewerbebundmitglieder mit derartigen Fremdlingen zu vermehren."[Fn] Mit diesem Ausschluss waren handfeste wirtschaftliche Benachteiligungen verbunden. Denn ohne Mitgliedschaft beim ÖGWB war eine Beteilung mit den begehrten öffentlichen Lieferaufträgen sehr unwahrscheinlich,[Fn] und auch die Bekleidung einer Funktion im Pflichtverband des Gewerbes, dem BDÖG [Bund der österreichischen Gewerbetreibenden], war damit vereitelt. Offenkundig galt diese antisemitische Norm auch für die 730 Beamten des BDÖG. Denn im Zuge der "Säuberungsaktionen" in den Bünden nach dem "Anschluss" konnten die Nationalsozialisten feststellen: "Juden waren beim Gewerbebund nicht beschäftigt."[Fn]
EMINGER, Stefan: Das Gewerbe in Österreich 1930-1938. Organisationsformen, Interessenpolitik und politische Mobilität. Innsbruck/Wien: Studienverlag, 2005, S. 181f.
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Oesterreich - Di, 12. Jul. 2005, 08:59