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Ebenfalls durchaus hörenswert,...
Ebenfalls durchaus hörenswert, die in der Diagonal-Ausgabe...
adresscomptoir - 2022/10/25 22:33
Guardian: listed status...
Guardian: listed status für 6 Denmark Street - https://www.theguardian.co m/music/2016/mar/22/sex-pi stols-house-denmark-st-lon don-listed-status
adresscomptoir - 2022/09/09 09:53

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Hausnummerierung

Samstag, 21. Januar 2006

Von der Gleichmacherei der Hausnummer

Der Chronist des Pariser Stadtlebens, Louis-Sébastien Mercier, weiss nur zu genau um die gleichmacherische Wirkung der Hausnummern. Er berichtet davon, dass ihre Einführung in Paris gestoppt wurde; über die Gründe kann er nur spekulieren: Vielleicht wollen die hocherrschaftlichen Toreinfahrten nicht mit einer Nummer beschrieben werden, denn wohin würde dass schon führen, wenn das Stadthaus des Herrn Rats, des Generalpächters und des Herrn Bischofs einer gemeinen Nummer unterworfen wäre? Was würde da all der hochmütige Marmor nützen? Alle wollen Cäsar gleichen, keiner möchte in Rom der zweite sein; es könnte doch glatt sein, dass eine noble Toreinfahrt nach einer nichtadligen Werkstatt nummeriert würde, was eine Prise Gleichheit mit sich brächte, vor deren Etablierung man sich wohl hüten muss.

Mercier, Louis-Sébastien: Tableau de Paris. Amsterdam 1782, Kap.170, S.203f. [Gallica]

Sonntag, 8. Januar 2006

Joseph Roth und die fehlenden Hausnummern

Noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts fehlen in manchen Gegenden an den Rändern der Habsburgermonarchie die Hausnummern. Dies berichtet Joseph Roth in seinem Roman Radetzkymarsch, dessen Protagonist Carl Joseph von Trotta, als er wenige Jahre vor dem 1. Weltkrieg in einer Garnisonsstadt nahe der russischen Grenze einquartiert wird, folgendes erkennen muss: Die Gassen hatten keine Namen und die Häuschen keine Nummern, und wer hierorts nach einem bestimmten Ziel fragte, richtete sich nach dem Ungefähr, das man ihm bezeichnet hatte. Der wohnte hinter der Kirche, jener gegenüber dem städtischen Gefängnis, der dritte rechter Hand vom Bezirksgericht. Man lebte wie im Dorf.

Roth, Joseph: Radetzkymarsch. Hamburg: rororo 222, 1957, S. 97.

Kleines Update: Vorbild für Roths namenlose Stadt ist Brody, was u.a. aus der Dissertation von Börries Kuzmany (u.a. S.320) hervorgeht:
Kuzmany, Börries: Die Stadt Brody im langen 19. Jahrhundert. Eine Misserfolgsgeschichte? Dissertation an der Universität Wien, 2008. <Volltext>
Nochmaliges Update: Kuzmany ist übrigens der Ansicht, dass es in Brody sehr wohl Hausnummern gab und Roth wie auch an anderen Stellen die Peripherität überbetont.

Freitag, 6. Januar 2006

Ivo Andric: Widerstand gegen die Hausnummerierung in Bosnien

Noch im 19. Jahrhundert ist es keineswegs selbstverständlich, dass in Europa die Häuser nummeriert sind. Vor allem in Gegenden an der Peripherie kann die Einführung der Hausnummerierung für die Behörden sehr mühsam sein. So schildert Ivo Andric in seinem Roman Die Brücke über die Drina, wie im bosnischen Trawnik um circa 1850 bereits unter türkischer Herrschaft versucht wird, die Hausnummern einzuführen: Es mag einige dreißig Jahre her sein, wenn nicht mehr, da war in Trawnik der Wesir Tahirpascha aus Stambul. Das war ein Neutürke, aber unaufrichtig und ein Heuchler, in seiner Seele war er Ungläubiger geblieben, wie er es vorher gewesen. (...). Also, dieser Tahirpascha begann als erster, die Häuser in Trawnik zu zählen und an jedem eine Tafel mit einer Hausnummer anzubringen. (Daher nannten sie ihn auch Tachtar, den »Täfler«.) Aber das Volk erhob sich, sammelte all diese Tafeln von den Häusern ein, trug sie auf einen Platz und verbrannte sie. Beinahe hätte es darum sogar Blutvergießen gegeben. Aber zum Glück hörte man in Stambul davon und berief ihn aus Bosnien ab. Möge sich seine Spur verwischen!
Nicht viel erfolgreicher ist die habsburgische Kolonialmacht: Sie beginnt schon im ersten Jahr der Okkupation Bosniens - also 1878 - mit der Durchführung der Volkszählung und Hausnummerierung; laut Darstellung Andrics weiss die Bevölkerung nur zu genau, dass damit die Aushebung der Menschen zu Zwangsarbeit oder Militärdienst vorbereitet werden soll, weswegen der geistliche Würdenträger Alihodscha Mutewelitsch zu folgenden Vorschlag kommt: Wenn ihr mich aber fragt, was wir tun sollen: Ich denke, einen offenen Aufstand zu machen, sind wir nicht fähig. Das sieht auch Gott, und die Menschen wissen es. Aber wir brauchen auch nicht in allem zu gehorchen, was man uns befiehlt. Niemand braucht sich ihre Hausnummern zu merken oder zu sagen, wie alt er ist, mögen sie selbst erraten, wann wer geboren ist. Wenn sie aber zu weit gehen und an die Familie und an das, was unsere Eh{r}e betrifft, rühren, verweigern wir es, und dann mag geschehen, was uns von Gott bestimmt ist. Andric fährt fort: Noch lange sprachen sie über diese unbequemen Maßnahmen der Obrigkeit, aber im wesentlichen blieb es bei dem, was Alihodscha gesagt: beim passiven Widerstand. Die Leute verbargen ihre Jahre oder machten falsche Angaben und entschuldigten sich damit, daß sie nicht lesen und schreiben könnten. Nach den Frauen durfte niemand auch nur fragen, denn das hätten sie als schwerste Beleidigung angesehen. Die Tafeln mit den Hausnummern befestigten sie allen Anweisungen und Drohungen der Behörden zum Trotz an unsichtbarer Stelle oder auf dem Kopfe stehend. Oder sie kalkten sofort ihr Haus und überstrichen dabei, wie zufällig, auch die Hausnummer. [Absatz] Da sie sahen, daß der Widerstand tief und aufrichtig, wenn auch versteckt war, schauten die Behörden durch die Finger und vermieden eine strenge Anwendung der Gesetze mit allen Folgen und Zusammenstößen, die sich daraus unweigerlich ergeben hätten.

Andric, Ivo: Die Brücke über die Drina. Eine Wischegrader Chronik. Frankfurt am Main: Fischer 438, 1966, S.152.
Zur Betrachtung der Habsburgermonarchie aus Perspektive der Postcolonial Studies: Prutsch, Ursula: Habsburg postcolonial, in: Feichtinger, Johannes/Prutsch, Ursula/Csáky, Moritz (Hg.): Habsburg postcolonial. Machtstrukturen und kollektives Gedächtnis. Innsbruck u.a.: Studienverlag, 2003, S. 33-43 (S.36 sowie 43, Anm.17 zu Andric und zur Hausnummerierung). [Volltext (PDF)]

Mittwoch, 21. Dezember 2005

Das Vergehen des Provinzialkommissar Schinko und des Unterlieutenant Schmid

Strikt verboten ist es bei der Nummerierung der Außenseite der Häuser, die Hausnummer auf ein Brett zu schreiben und dieses aufzuhängen anstatt die Nummer direkt auf die Wände aufzumalen; gegen eine im Grazer Kreis operierende Konskriptionskommission, die dieser Vorschrift zuwider handelt, werden schwere Vorwürfe erhoben: Nicht nur, dass die Kommissare nicht bis zu den in der Einschicht liegenden Häuser[n] vorgedrungen seien, sondern sie die Bauern von Gebürge herunter beruffen und die in deren Häusern wohnenden Seelen sowie das Zugvieh ohne local Beaugenscheinigung in die Tabellen eingetragen haben. Auch die Arbeit der Hausnummerierung habe sich die Lokalkommission erspart: Sie habe die Nummern auf hölzern[en] Bretteln angebracht und diese Bretter den herabgestiegenen Bauern zur Affigirung mitgegeben. Auch seien weitere Fälle bekannt, in denen die Kommission die Hausnummer nicht direkt mit Farbe auf die Hauswände aufgetragen habe, sondern den Numerum auf Brettlen an die Häuser [habe] annaglen lassen, ein eindeutiger Verstoß wider die Anordnungen. Der beschuldigte Provinzialkommissar Schinko verteidigt sich: Die Bretter seien nur an jene Häuser angenagelt worden, welche mit Laim, so in Herbst oder Fruhe Jahr abzufallen pflege, beschmieret wären, folglich der Numerus nicht verläßlich hätte aufgemahlen werden können. Und die Einberuffung seye nur bey ein- so anderen in Gebürg liegenden Keuschlern und Berglern beschehen, wo man keine verläßliche Auskunft hätte überkommen können, mithin von denen Verwaltern, Amtleuten, und Älteren der Nachbahrschaft solche hätten einholen müssen. Schinko glaubte hindurch nicht gefehlet zu haben; ganz sicher scheint er sich aber seiner Sache doch nicht zu sein, da er anbietet, die angenagelten Bretter abzunehmen und die Hausnummern an den Wänden aufzumalen. Die steirische Konskriptionskommission erwartet genau dies von ihm; sie betont: Die Aufnaglung deren Brettern oder Tafeln seye per Expressum in dem Normal-Rescript verboten; gemeinsam mit seinem ebenfalls beschuldigten Kollegen, Unterlieutenant Schmied, wird ihm aufgetragen, auf eigene Unkosten diese Tafeln abzunehmen, und die Häuser vorschriftmässig zu numeriren. Sollte dies nicht geschehen, müsse die Nummerierung auf ihre Unkosten durch andere vorgenommen werden; in diesem Fall müssten die beiden Übeltäter annebst schärffest bestraffet werden. Der Hofkriegsrat wird dieser Aufforderung zur Bestrafung nachkommen: Der Unterlieutenant Schmied ist umgehend zu entlassen und muss darüber hinaus 14 Tage Arrest absitzen. Kein Trägermaterial soll demnach die Nummer vom Haus trennen; dass mit abbröckelndem Verputz auch die Nummer selbst zu verschwinden droht, nehmen die Behörden in Kauf.

Österreichisches Staatsarchiv/Allgemeines Verwaltungsarchiv, Bestand Hofkanzlei, IV A 8 Innerösterreich, Kt. 499, 29 ex Dezember 1770: Protokoll der steirischen Konskriptionskommission, 16.11.1770, f. 179r-181v; Reskript des Hofkriegsrats an das innerösterreichische Gubernium, 3.12.1770; vgl. auch Straka, Manfred: Die Einrichtung der Numerierungsabschnitte in der Steiermark 1770 als Vorstufe der Steuergemeinden, in: Historischer Verein für Steiermark (Hg.): Festschrift für Otto Lamprecht. (=Zeitschrift des historischen Vereines für Steiermark; Sonderband 16). Graz: Selbstverlag, 1968, S. 138-150, hier 144 (Bericht des Grazer Kreisamt, 8.11.1770).
Österreichisches Staatsarchiv/Kriegsarchiv, Wien, Bestand Hofkriegsrat, 1770/74/986: Protokoll der steirischen Konskriptionskommission, 26.10.1770.

Sonntag, 18. Dezember 2005

Gefährliche Hausnummern

Wow, der Esoterik-Schwachsinn hat es in sich, im Esoterikforum bleiben nicht mal die Hausnummern davon verschont: Ein gar böses Feng Shui haben sie, die Häuser mit der Hausnummer 4, denn die 4 bedeutet Tod; wo ja auch die Quersumme der Unglückszahl 13 4 ergibt. Was also tun, wenn das zu beziehende Haus mit der schröcklichen Nummer 4 bezeichnet ist? Vier (!) Vorschläge zur Abhilfe gibt es: Ein kleines "b" könnte man heimlich dahinter anbringen, aber wer weiss, das gibt vielleicht Probleme mit Behörden; man könnte auch die negative Energie mit einem om-Zeichen umwandeln; oder in der Nähe der bösen Nummer eine Doppelacht in Regenbogenfarbe anbringen; oder aber einen roten Kreis um die 4 ziehen, damit sie abgeschwächt wird. Polarstern bedankt sich jedenfalls, speichert die Vorschläge im Hirn und wird etwas davon umsetzen. Ächz. [via Großbloggbaumeister]

Update 21.9.2011: Gefährliche Hausnummern 2

Sonntag, 11. Dezember 2005

Die „Sicherheitskopie“: Hausnummern im Inneren der Häuser

Wie kann verhindert werden, dass die Hausnummern von den Häusern verschwinden? Wie kann sichergestellt werden, dass das einzelne Haus von anderen Häusern unterscheidbar bleibt? Die Mitglieder der steirischen Konskriptionskommission werden in ihrer Sorge um die Dauerhaftigkeit der Hausnummern erfinderisch: Wenn die außen am Haus angebrachten Nummern schon so gefährdet sind, wäre es dann nicht ratsam, wenn eine „Sicherheitskopie“ der Nummer im Inneren des Hauses angelegt würde? Sogleich wird vorgeschlagen, dass jeder Hausherr bei einer Strafe von 6 Reichstalern dazu zu verpflichten sei, den Haus Numerum inwendig in seinem Haus sicht- und kentbar auf[zu]machen. Und, um noch mehr Sicherheit zu erlangen, soll er gleich auch sothane Haus Numerum auf das Stift-büchel aufschreiben. Diese Bestimmung findet das Wohlwollen der Zentralstellen in Wien; per Hofdekret vom 15. Dezember 1770 wird verordnet, dass auch in den anderen konskribierten Ländern „Sicherheitskopien“ der Hausnummern im Inneren der Häuser anzulegen sind. Einzig die Höhe der Strafe wird nicht in Reichstalern, sondern in Gulden angegeben: Wer die Nummer nicht im Inneren anbringt, ist mit neun Gulden zu bestrafen. Es handelt sich dabei um dasselbe Hofdekret, gemäß dem auch der Familenname als einzig zulässiger Typ von Nachnamen vorgeschrieben wird.

Österreichisches Staatsarchiv/Allgemeines Verwaltungsarchiv, Bestand Hofkanzlei, IV A 8 Innerösterreich, Kt. 499, 29 ex Dezember 1770: Protokoll der steirischen Konskriptionskommission, 16.11.1770, f. 182r–185r sowie Hofdekret an die böhmischen und österreichischen Länder mit Ausnahme der Steiermark, 15.12.1770, abgedruckt auch in: Supplementum codicis Austriaci (…) aller vom 1ten Jäner 1759 bis lezten Dezember 1770 erlassenen Generalien (...). Bd. 6. Wien: Trattner, 1777, Bd. 6, S. 1388 sowie in: Kropatschek, Joseph (Hg.): Kaiserl. Königl. Theresianisches Gesetzbuch (....). 8 Bände. Wien: Mößle, 1787-1789, Bd. 4, S. 309.

Dienstag, 6. Dezember 2005

Picheldorf Numero 31 - Vom Verschwinden der Häuser

Wenn die Kommissare nach durchgeführter Hausnummerierung die bereits beschriebenen Dörfer ein zweites Mal bereisen, müssen sie zuweilen feststellen, dass manche Hausnummer verschwunden ist. So berichtet im Herbst 1770 der Obrist Baron de Vins in einer Anzeige an das innerösterreichische Generalkommando, dass im steirischen Picheldorf die N° 31 vollkommen ausgelöschet, viele andere Numern zum Theil überschmieret, zum Theil aber weggebrochen sind. In der steirischen Konskriptionskommission löst dieser Bericht folgenden Seufzer aus: Der Endzweck der Nummerierung wird dadurch vereitlet, all die viele[n] Unkosten sind umsont, ja, das ganze Conscriptions-Werck wird unnütz und wirkungslos, da auf diese Weise, und bey nicht vorhandenen Numern in Zeit eines Jahrs kein Haus, vielweniger also der Inwohner gefunden werden könnte. – Ohne Hausnummer verschwindet das Haus in der anonymen Masse der anderen Häuser; erst die Nummer macht das Haus für die Konskriptionskommissare sichtbar und auffindbar.

Österreichisches Staatsarchiv/Allgemeines Verwaltungsarchiv, Bestand Hofkanzlei, IV A 8 Innerösterreich, Kt. 499, 29 ex Dezember 1770: Protokoll der steirischen Konskriptionskommission, 16.11.1770, f. 181v–183r.

Mittwoch, 30. November 2005

Die Adressierung der Schiffmühlen

Die Erfassung der Bevölkerung und ihrer Subjekte verlangt ihre Fixierung nicht nur in den Kolumnen der Tabellen. Als kleinste räumliche Zuordnungseinheit wird während der Konskription von 1770 das Haus verwendet. Dieses Haus ist, so die Annahme der Behörden, unbeweglich, ortsgebunden; wird es mitsamt den in ihm aufgefundenen Subjekten in die Tabellen eingeschrieben, so sind auch die Subjekte dauerhaft adressierbar.
Nicht alle Subjekte aber halten sich in Häusern auf. Was tun mit jenen, die auf schwankendem Boden angetroffen werden? Was tun mit Menschen, die sich auf Schiffen aufhalten? Dieses Problem wird noch 140 Jahre später einen Ständestaattheoretiker beschäftigen: Die Volkszählung, so sinniert Othmar Spann, müsse auf die österreichischen Schiffe, die sich am Stichtage auf der Reise oder im Auslande befinden ausgedehnt werden, Schiffsbesatzung und Fahrgäste seien darin einzubeziehen, die nötigen Einträge seien von den Schiffsführer[n] vorzunehmen.(1)
Und was tun, wenn der Ort, dem das Haus zugeordnet ist, auf einmal wechselt? Was tun, wenn das vermeintlich fest in der Tabelle verankerte Haus auf einmal hinweggezogen wird und in einer anderen Tabelle seinen Ankerplatz sucht? Genau dieses Problem stellt sich den Kommissaren des Viertels unter dem Manhartsberg, als sie an den Ufern der Donau ein spezielles Gebäude entdecken: Die Schiffmühle. Über einen Steg vom Ufer aus zu erreichen, am Land befestigt mit Seilen und Ketten, gesichert zuweilen auch mit einem Anker, besteht sie aus zwei Teilen: An der Uferseite liegt das Hauptschiff, auf dem sich ein Holzhaus mit Mühlwerk sowie einer Kammer mit Bett, Tisch und Sessel für den Schiffsmüller und seine Gehilfen befindet; das kleinere Schiff, das sogenannte Weitschiff, ist vom Hauptschiff durch die Achse des Mühlrads getrennt, deren Enden auf beiden Schiffen aufliegen. Hochwasser, Überschwemmungen, Eisstöße und zu niedrige Wasserstände vertreiben die Schiffmühle von ihrem Ankerplatz, sie muss dann von Pferden an eine andere Stelle im Fluss gezogen werden, wo das Vermahlen des Korns wieder möglich ist.(2)
Die Beamten staunen über das seltsame Gebilde: Bald da, bald dort ist es zu finden, ein Mobile ohne stabilirte[n] Ort, es komme heut da, morgen dort zu stehen, je nach Umständen des Gewässers. Was also tun, damit bei der Konskription weder die Schiffmühlen noch deren Personal übergangen werden, was tun, um die gute Ordnung bey[zu]behalten? – Die Kommissare schlagen eine Lösung vor: An den Schiffmühlen sind die Hausnummern ihrer Besitzer anzubringen, sie sind in die Verzeichnisse jenes Orts einzutragen, in dem sich das Haus des Besitzers befinde und die darauf zumindest temporär befindlichen Leute seien in des possessoris Hausbeschreibung einzuschalten. Von den 20 Schiffmühlen, die zwischen den Brücken nächst Wien liegen, im zur Herrschaft Klosterneuburg gehörenden Leopoldauer Burgfried, seien demnach sechs in den Leopoldauer, zwölf in den Wiener und zwei in den Rodauner Verzeichnissen einzutragen. Die Bande, welche die Mühlen mit ihren Besitzern verknüpfen, werden demnach für stärker gehalten als die Taue und Ketten, mit denen sie am Land angeheftet sind.(3)
Ob festgemauertes Haus oder in den Fluten schaukelndes Mobile: Das Mittel, das die Verbindung zwischen Haus und Tabelle sicherstellen soll, ist die Hausnummer. Sie dient der eindeutigen Identifizierung des Hauses innerhalb der ortschaftsweise angefertigten Tabelle und entspricht damit dem in Datenbanken zur eindeutigen Identifizierung der Datensätze erzeugten Primärschlüssel.(4) Folgerichtig gebührt der Hausnummer die erste Spalte in den auszufüllenden Tabellen. Auch am Haus ist der Ort der Nummern genau festgelegt: Gemäß der allerhöchsten Resolution vom 8. März 1770 sind sie mit schwarzer Farbe oberhalb der Haustüre aufzuzeichnen.(5)

(1) Spann, Othmar: Erhebungstechnische Probleme der österreichischen Volkszählung, in: Statistische Monatsschrift, 35.1909, S. 1–15, 65–74, hier 66; während Spann (S. 70) auch auf Nichtsesshafte eingeht, finden diese in den zur Seelenkonskription erhaltenen Akten kaum Erwähnung.

(2) Zu den Schiffmühlen u. a.: Waissenberger, Robert: Wiener Nutzbauten des 19. Jahrhunderts als Beispiele zukunftweisenden Bauens. Wien/München: Jugend & Volk, 1977, S. 89f.; Hösch, Rudolf: Die Schiffsmühlen bei Floridsdorf/Die Bedeutung der Schiffsmühlen an der Donau, in: Unser schönes Floridsdorf, 1–2/1983, S. 5–15; Zischinsky, Richard: Schiffsmühlen an der Donau, in: Korneuburger Kulturnachrichten, 3/1992, S. 2–5. Vgl. auch die Homepage der Schiffmühle in Orth an der Donau: http://www.schiffmuehle.at.

(3) Österreichisches Staatsarchiv/Kriegsarchiv, Wien, Bestand Hofkriegsrat, 1771/74/134: Protokoll der niederösterreichischen Konskriptionskommission, 24.12.1770.

(4) Siehe Czap, H. u. a.: Schlüssel1, in: Schneider, Hans-Jochen (Hg.): Lexikon Informatik und Datenverarbeitung. München/Wien: Oldenbourg, 4.Aufl., 1997, S. 751.

(5) Österreichisches Staatsarchiv/Haus- Hof und Staatsarchiv, Wien, Bestand Kabinettsarchiv: Staatsratsprotokolle, Bd. 35 (1770/II), Nr. 800: Ah Resolution zum Vortrag des Hofkriegsrats vom 5.3.1770, 8.3.1770.

Donnerstag, 17. November 2005

Wiener Adressen

Ist vielleicht zum letzten Mal, dass ich diesen University Meets Public Vortrag zu den Hausnummern in Wien halte. Es gibt jedenfalls Dias von historischen Hausnummern zu sehen!

Anton Tantner, Wiener Adressen: Hausschilder, Straßennamen und Hausnummern
Ort: VHS Brigittenau, Raffaelg. 11-13, 1200 Wien
Zeit: Di, 29.11.2005, 18 Uhr

Samstag, 5. November 2005

Mozarts Adressen

Die Einführung der Hausnummerierung ist vorwiegend militärisch und fiskalisch motiviert; trotzdem wissen es die Subjekte, sich der Hausnummerierung für ihre eigenen Zwecke zu bedienen, sich diese anzueignen. So können ab sofort die Adressen auf Briefen genauer angeführt werden, garantiert die Hausnummer doch eine bessere Zustellung der Schriftstücke. Auch Mozart gewöhnt sich 1781 nach einigen Monaten Wien-Aufenthalt daran, in seinen Briefen die Hausnummer anzugeben, damit seine Briefpartner in ihren Schreiben diese verwenden können: Bei seinen ersten beiden Unterkünften - im teutschen Hauß, in der Singerstrass (Bd. 3, S. 95) sowie auf dem Peter im Aug-gottes im 2.ten stock (Bd. 3, S. 112) - unterlässt der Komponist eine Hausnummernangabe, doch schon im September 1781 erfahren wir, dass sein neues Zimmer sich auf dem graben N:°1175 im 3:ten stock (Bd. 3, S. 154) befindet; das betreffende Gebäude ist heute mit Graben Nr. 17 zu adressieren. 1782 residiert er auf der hohen brücke im (...) Groshaubtische[n] haus N:° 387 (Bd. 3, S. 225), im folgenden Jahr im kleinen Herbersteinischen hause, n: 412 im 3:t Stock; bey H: v: Wezlar (Bd. 3, S. 251 f.) sowie bald darauf auf dem Juden Plaz im burgischen hause, N:° 244 im ersten Stock (Bd. 3, S. 269 f.). Schon 1784 übersiedelt Mozart wieder, wobei er diesmal in seinem Brief keine Hausnummer anführt: [I]m trattnerischem Hause; 2:te Stiege. im 3:t Stock (Bd. 3, S. 300 f.) wohnt er nun; nur kurz darauf lebt er in der Schullerstrasse N:° 846, im ersten Stock, (Bd. 3, S. 370) wie Mozarts Vater berichtet. Auch die nächste Adresse Mozarts erfahren wir dank eines Briefs seines Vaters: Er wohnt itzt auf der Landstrasse No. 224, (Bd. 4, S. 44) das heisst, der Komponist ist in eine Vorstadt übersiedelt, was durch Geldmangel bedingt ist. Die Quartiere wechseln in rascher Abfolge: Mozart wohnt unter den Tuchlauben (Bd. 6, S. 364) und dann im Alsergrund, in der waringergasse, bey den 3 Sternen N:° 135 (Bd. 4, S. 66), von wo er schließlich zum letzten Mal übersiedelt, in die Rauhensteingasse im Kayserhaus N° 970 Ersten Stock. (Bd. 4, S. 133) - Mozart ist fürwahr ein ruheloses Subjekt; in seinen 10 Wien-Jahren bewohnt er nicht weniger als 12 Adressen.

Mozart, Wolfgang Amadeus: Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe. 7 Bände. (Hg. von Internationale Stiftung Mozarteum/Bauer, Wilhelm A./Deutsch, Otto Erich). Kassel u.a.: Bärenreiter, 1962-1975.