Hausnummernmäßig nicht sehr ergiebig ist eine kleine Veröffentlichung von Rudolf Maurer zu den Adressangaben in Baden bei Wien. Man erfährt daraus gerade einmal, dass 1770/71 in Baden eine stadtviertelweise Nummerierung eingeführt wurde (womöglich handelte es sich damals aber um ueigenständige Gemeinden); grundlegende Umnummerierungen gab es 1805, 1816, 1829 und 1851, wobei die Tafeln von 1851 teilweise heute noch an alten Häusern befestigt sind. 1873 wurde die straßenweise Orientierungsnummerierung eingeführt.
Maurer, Rudolf: „... zu besserer erkantnus“. Hausnamen, Hauszeichen und Adreßangaben im alten Baden. (=Katalogblätter des Rollettmuseums Baden; 5). Baden: o.J. [1997]. (keine Paginierung)
Der
Fontblog hat
in die Abgründe des Hausnummer-Designs geblickt und ist entsetzt ob der typographischen Katastrophen, die dort auftauchen.
Die neuere deutsche Geschichte kennt auch die „Grüne Hausnummer“; diese wurde erstmals 1996 im Saarland, später dann auch in Mainz und in Erfurt für ökologisch korrektes Bauen vergeben. Die Kriterien sind in der Landesbauordnung festgelegt: Je ökologischer ein Haus errichtet wird, desto mehr Ökopunkte bekommt es gut geschrieben; für einen Warmwasserkollektor am Dach gibt es zum Beispiel 18 Punkte. Sind 100 Punkte erreicht, entsteht ein Anspruch auf die „Grüne Hausnummer“, deren erstes Exemplar im Juni 1996 an ein Reihenhaus im Neunkirchner Stadtteil Kohlhof angebracht wurde.
(1) Nicht überall stoßt der Vorschlag, eine solche Auszeichnung einzuführen, allerdings auf Gegenliebe: Als im Oktober 2005 im Wormser Stadtrat die Grünen ökologisches Bauen dermaßen auszeichnen wollten, gab es Widerspruch: Der CDU-Vertreter Gerhard Schnell sah laut einem Zeitungsbericht „die große Gefahr, dass hiermit in gute und weniger gute Menschen unterschieden werde“, und des weiteren der Verwaltungsaufwand dafür viel zu groß sei; auch Ernst-Günter Brinkmann (SPD) hatte Einwände und sah „die Gefahr der ‚Stigmatisierung und Etikettierung’. Wer sozial engagiert sei, erhalte künftig eine rote Hausnummer, für christliche Orientierung eigne sich die schwarze Farbe, für wirtschaftliche blau-gelb: ‚So kann man das nicht machen’, belehrte Brinkmann die Grünen.“
(2) – Die Aussenseite des Hauses behält demnach ihre prekäre Stellung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit; allzu deutliche Verweise auf das Innere, sei es auf die Bauweise oder die Gesinnung der BewohnerInnen können als problematisch wahrgenommen werden.
(1) KAUNTZ, Eckhart: Grüne Hausnummer als Auszeichnung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.6.1996, S. 4; „Grüne Hausnummer“ für 100 Öko-Punkte, in: Süddeutsche Zeitung, 29.6.1996, S. 5; BLUM, Andreas/DEILMANN, Clemens/NEUBAUER, Frank-Stefan: Eco-labelling for buildings, in: MAIELLARO, Nicola (Hg.): Towards Sustainable Building. Dordrecht/Boston/London: Kluwer, 2001, S. 43-58, hier S. 47. [Google Books]
(2) KETH, Roland: Gütesiegel oder Stigmatisierung? Skepsis im Stadtrat zu grüner Hausnummer, in: Wormser Zeitung, 21.10.2005 <http://www.main-rheiner.de/region/objekt.php3?artikel_id=2089736> (14.11.2006).
adresscomptoir -
Hausnummerierung - Di, 28. Nov. 2006, 09:14
Eine Vortragsankündigung:
Anton Tantner
Die Ordnung der Stadt. Hausnummerierung und Seelenkonskription in
Wien
Zeit: Mittwoch, 22.11.2006, 18 Uhr
Ort: Bezirksmuseum Josefstadt, veranstaltet vom Verein für die Geschichte der Stadt Wien, Schmidgasse 18, 1. Stock
adresscomptoir -
Hausnummerierung - Fr, 17. Nov. 2006, 09:55
"Goldene Hausnummern" wurden einst in der DDR im Rahmen eines vom örtlichen Rat der Stadt oder Gemeinde zusammen mit der Nationalen Front organisierten Wettbewerbs an besonders vorbildliche Hausgemeinschaften, die ihr Haus oder ihre Vorgärten behübschten vergeben und werden in manchen ostdeutschen Gemeinden heute noch verliehen.
(1) Doch es gibt sie auch im Westen Deutschlands, so wurden sie im konservativen Bayern 2003 eingeführt. Die "Goldene Hausnummer" wird dort im Landkreis Straubing-Bogen alle zwei Jahre als Preis eines Bauherren-Wettbewerbs verliehen und soll
nachhaltigen Wohnungsbau fördern, worunter unter anderem gemeint ist,
die Wurzeln der regionalen Baukultur in Erinnerung [zu] bringen, [und] das typische Orts- und Landschaftsbild [zu] stärken. So soll verhindert werden, dass sich modische oder gar fremde Einflüsse – wie zum Beispiel
Granitpflastersteine (...) aus Indien oder China,
toskanische Vill[en] oder
Thujenhecke[n] – im bayrischen Kernland einnisten; solcherlei
Globalisierungstendenzen sind unerwünscht.
(2)
(1) Dazu meinen unlängst erschienenen Weblogeintrag sowie: Wolf, Birgit: Sprache in der DDR. Ein Wörterbuch. Berlin/New York: Walter de Gruyter, 2000, S. 87. [Google Books]
(2) KommA21 Bayern aktuell. InfoNetzwerk für nachhaltige Kommunalentwicklung, 2/Juni 2004, S. 49 f. <http://www.bayern.de/lfu/komma21/zeitung/pdf/k21_akt_2_2004.pdf>; vgl. auch <http://www.straubing-bogen.de/Goldene%5Fhaus%5FNR/> (14.11.2006).
adresscomptoir -
Hausnummerierung - Do, 16. Nov. 2006, 09:10
Goldene Hausnummern wurden in der DDR vergeben, um besonders vorbildliche Hausgemeinschaften auszuzeichnen (vgl. diesen
Wikipedia-Artikel). Auch heute noch wird in manchen Orten diese Auszeichnung verliehen, wie zum Beispiel in der Gemeinde Neutrebbin, worüber die
Märkische Oderzeitung berichtet. Blöd nur, wenn manche der Geehrten gar nicht anwesend sind...
Das heute gebräuchlichste System der Hausnummerierung ist jenes, bei dem die geraden Nummern auf den Häusern der einen und die ungeraden Nummern auf den Häusern der anderen Straßenseite verlaufen; zuweilen wird es als französisches System bezeichnet,
(1) wurde es doch 1805 in Paris eingeführt
(2) und verbreitete es sich von da aus im Laufe des 19. Jahrhunderts in viele andere Städte. Doch stammt diese Form der Nummerierung wirklich aus Frankreich? Der US-amerikanische Geograph John Pinkerton legt in seinem Reisebericht aus dem napoleonischen Paris anderes nahe: Als er sich Anfang des 19. Jahrhunderts dort aufhält, ist noch die während der Revolution eingeführte, sektionsweise Nummerierung in Verwendung, die die Orientierung sehr erschwert. Pinkerton kennt eine Alternative:
Die beste Methode hierinn ist ohnstreitig die in den americanischen Städten eingeführte: alle Häuser auf einer Seite der Strasse mit geraden, und die auf der andern mit ungeraden Zahlen zu bezeichnen, wodurch man den Augenblick in Ausrichtung seiner Gewerbe sich auf den rechten Fleck gewiesen sieht. (3) - Vielleicht stammt also das französische System aus den USA!
(1) Merruau, Ch.: Rapport sur la nomenclature des rues et le numérotage des maisons de Paris. Paris: Mourgues Frères, o.D. [ca. 1860], S. 48.
(2) Pronteau, Jeanne: Les Numérotages des Maisons de Paris du XVe Siècle à nos Jours. (=Publications de la sous-commission de recherches d'histoire municipale contemporaine; VIII). Paris: o. V., 1966, S. 99-133; vgl. auch Benjamin, Walter: Das Passagen-Werk. (=Gesammelte Schriften Bd.V) Frankfurt am Main: Suhrkamp stw 935, 1991, Bd.V.1, S. 644, 648.
(3) Pinkerton, John: Neologie, in: Ders./Mercier, Sebastien/Cramer, Carl-Friedrich: Ansichten der Hauptstadt des französischen Kayserreichs vom Jahre 1806 an. Amsterdam: Kunst- und Industrie-Comptoir, 1807-1808, 2 Bände, hier Bd. 1, S. 100; englisches Original: Pinkerton, John: Recollections of Paris, in the years 1802-3-4-5. London: Longman, Hurst Reese and Orme, 1806, 2 Bände, hier Bd. 1 [Gallica] , S. 47: The best plan is doubtless that pursued in American cities, which is to give all the odd numbers on one side of the street, and the even on the other, which lends every possible expedition to the research.
adresscomptoir -
Hausnummerierung - Sa, 14. Okt. 2006, 11:56
Wie findet man das Haus eines Feindes, zumal, wenn es sich in einer Gasse befindet, in der alle Häuser einander gleichen? Im Märchen Die Geschichte von Ali Baba und den vierzig Räubern (1) ist genau dies ein entscheidendes Problem: Wie können die Räuber das mittlerweile von Ali Baba bewohnte Haus seines ermordeten Bruders Kâsim auffinden, wenn es sich durch nichts von den anderen Häusern unterscheidet? Der als Kundschafter geschickte Räuber findet eine Lösung: Er malt mit Kreide ein kleines weißes Zeichen auf die Haustür. Ali Babas kluge Sklavin Mardschâna entdeckt das Zeichen und schöpft Verdacht: Es muss von einem Feinde, der Böses im Schilde führt, angebracht worden sein. Ihre Reaktion: Sie malt auf alle anderen Haustüren in der Gasse dasselbe Zeichen, und siehe da, sie hat Erfolg: Als die Räuber nun gesammelt auftauchen, um Ali Baba niederzumetzeln, sind sie verwirrt und können das gesuchte Haus nicht ausmachen. Wieder wird ein Kundschafter ausgeschickt, der das Haus ausspioniert und auf dieselbe Idee wie sein Vorgänger verfällt, nur, dass er das Zeichen mit roter Farbe an einer verborgenen Stelle anbringt. Vergebens, denn wieder wird es von Marschâna entdeckt und wieder zeichnet sie auf alle Haustüren am betreffenden Ort dasselbe Zeichen. Einmal mehr kommen die Räuber nicht an ihr Ziel, worauf es dem Räuberhauptmann zu blöd wird: Er beschließt, die Sache selber in die Hand zu nehmen und lässt sich zu Ali Babas Haus führen: Dann beobachtete er das Haus und betrachtete es genau; aber er brauchte keine Zeichen daran zu machen, sondern er zählte die Haustüren der Straße bis zu der Tür des gesuchten Hauses und merkte sich die Zahl. Ferner zählte er auch die Ecken und Fenster des Hauses und prägte sich alle Merkmale so genau ein, daß er es nun sicher kannte; - die Zahl hat demnach eine unterscheidende Macht; und sie wird die Räuber tatsächlich in Ali Babas Haus führen. Allerdings ist sie nicht am Haus angebracht, sondern bleibt verborgen im Gedächtnis des Hauptmanns. Wäre sie auf das Haus aufgemalt, so würde sie massiven Verdacht erwecken; wer Häuser nummeriert, kann keine guten Absichten haben. Doch ist die Geschichte von Ali Baba wirklich aus den Zeiten von Tausend und einer Nacht? - Keineswegs; neuere Forschungen haben ergeben, dass sie erst Anfang des 18. Jahrhunderts vom Orientalisten Antoine Galland auf Grund von Erzählungen eines maronitischen Mönchs niedergeschrieben und stark ausgeschmückt wurde. Der Umstand, dass der Räuberhauptmann die Haustüren zählt, wird überhaupt erst in einem vermutlich Anfang des 19. Jahrhunderts verfassten Manuskript erwähnt, also zu einem Zeitpunkt, als Hausnummern schon verbreitet sind. (2)
(1) Die Geschichte von Ali Baba und den vierzig Räubern, in: Die Erzählungen aus den tausendundein Nächten. Übersetzt von Enno Littmann. 12 Bände. Frankfurt am Main: Insel it 224, 1976, Bd. 4, S. 791-859, hier 826-834, 845 f.; zum verwendeten Manuskript siehe Bd. 12, S. 650.
(2) Chraibi, Aboubakr: Galland's “Ali Baba” and Other Arabic Versions, in: Marvels & Tales 18.2004, 159-169; Mahdi, Muhsin: The Thousand and One Nights. Leiden u.a.: Brill, 1995, S. 72-86.
Edward Hatton erwähnt in seinem Werk A New View of London 1708, dass in London die Häuser der Prescot Street nummeriert sind: Prescot street, a spacious and regular Built str. on the S. side of the Tenter Ground in Goodmans fields, betn Hooper square E. and Mansel str. end W. K. 330 Yds, and from T.L. NEly, 450 Yds. Instead of Signs, the Houses here are distinguished by Numbers, as the Stair Cases in the Inns of Court and Chancery. Verwendet wird diese Nummerierung in den folgenden Jahrzehnten allerdings nicht, die bekannten Anordnungen zur Nummerierung der Londoner Häuser datieren aus den Jahren 1762 und 1765. (1) Es gibt allerdings einen vereinzelten Befund aus dem Jahr 1718, gemäß dem in London Hausnummern vorhanden sein sollen. So schreibt der Reisende Johann Gottlieb Deichsel über die britische Metropole: Die Häuser sind in der Höhe auf einem güldenen Täfelchen, einer Hand breit, mit schwarzen Ziffern numerieret. - Über Deichsel ist so gut wie nichts bekannt; das Zitat stammt aus einem Reisebericht, der aus seinem Nachlass ausgegraben und erst 1788 von Johann Bernoulli in seinem Archiv zur neuern Geschichte, Geographie, Natur- und Menschenkunde veröffentlicht wurde.(2)
(1) Hatton, Edward. A new view of London; or, an ample account of that city, in two volumes, or eight sections. London: Chiswell u.a., 1708. 2 Bände, hier Bd. 1, S. 65; Heal, Ambrose: The Numbering of Houses in London Streets, in: Notes and Queries, 183.1942, S. 100-101, hier 100; weitere Literatur zur Hausnummerierung in London: Ycul: House Numbering, in: Notes and Queries, 9.1866, Nr.227 5.5.1866, S. 374; P.D.M.: Street Numbers in London, in: Notes and Queries, 156, 1929, S. 264; R.S.B.: Street Numbers in London, in: Notes and Queries, 156, 1929, S.304; MacPhail, J. St. M.: Street Numbers in London, in: Notes and Queries, 156, 1929, S.323; Low, D. M.: Street Numbers in London, in: Notes and Queries, 156, 1929, S. 339.
(2) Deichsel, Johann Gottlieb: Reise durch Deutschland, nach Holland und England, in den Jahren 1717-1719. Dritter und letzter Abschnitt: Aufenthalt in England, in: Johann Bernoulli’s Archiv zur neuern Geschichte, Geographie, Natur- und Menschenkunde, Bd. 8, o.O. o.J. [Leipzig 1788], S. 165-242, Zitat 175f., hier zitiert nach: Deichsel, Johann Gottlieb: Vermischte Notizen über das Londoner Leben, in: Maurer, Michael (Hg.): O Britannien, von deiner Freiheit einen Hut voll. Deutsche Reiseberichte des 18. Jahrhunderts. München u.a.: Beck/Kiepenheuer, 1992, S. 75-76, hier 75, 510.
Wirklich sehr faszinierend: Das von Christine Fischer-Defoy edierte Adressbuch Walter Benjamins, das er im Exil in Paris führte. Fischer-Defoy ist ja geradezu eine Adressbuch-Expertin, hat sie doch bereits die Adressbücher von Paul Hindemith und Marlene Dietrich herausgegeben; ähnliche Projekte zu Heinrich Mann, Hannah Arendt und George Grosz sind in Vorbereitung. Ich entnehme dem Buch jedenfalls die Adresse von Georges Bataille: 76 bis, Rue de Rennes in Paris VI; Benjamin selbst wohnte von 1938 bis zu seiner Flucht 1940 in 10, Rue Dombasle. Bei Gelegenheit, wenn ich mal wieder in Paris bin, werde ich die entsprechenden Hausnummernfotos dazu liefern.
Benjamin, Walter: Das Adressbuch des Exils 1933-1940. "... Wie überall hin die Leute verstreut sind ..." (Hg. von Fischer-Defoy, Christine). Leipzig: Koehler & Amelang, 2006. [
Verlags-Info,
Amazon,
VLB]
Update 17.12.2011: Es hat ein paar Jahre gedauert, nun gibt's aber die Fotos: 1.)
Walter Benjamin,
Georges Bataille
adresscomptoir -
Hausnummerierung - So, 24. Sep. 2006, 12:20