Punk mit Diplomatenpass
Schöne Story, die die Schriftstellerin Julya Rabinowich im Extra der WZ erzählt:
Meine Mutter fährt jedes Jahr nach Russland, ich war, seit der Eiserne Vorhang gefallen ist, zweimal dort. Das erste Mal fuhr ich, als unter Gorbatschow die Grenzen geöffnet wurden. Ich bekam einen psychosomatischen Anfall und hatte furchtbare Beschwerden. Dann stellte sich heraus, dass ich nicht zurückfahren konnte. Mein Ticket, dass ich in Wien gekauft hatte, war nicht gültig, sondern sicherte mir lediglich einen Warteplatz auf ein für Monate ausverkauftes Ticket. Ich saß fest, setzte Himmel und Erde in Bewegung, um doch noch heimzukommen. Am Ende legte ich eine sagenhafte Szene in der Botschaft hin, und sie stellten mir vorübergehend einen Diplomatenpass aus, sonst hätte ich kein Zug-Ticket zurück bekommen.
Ich war damals in meiner Punk-Phase mit blauen Haaren, Armee-Stiefeln, zerfetzten Strumpfhosen – und einem Diplomaten-Pass. Auf dem Weg zurück nach Wien saß ich im Abteil mit einem echten russischen Diplomaten, dem die Augen aus dem Kopf fielen, als er sah, wen die Österreicher als Diplomaten einsetzen.
Ebenfalls lesenswert: Ihre Antwort auf die von Interviewer Ernst Grabovszki gestellte Frage: Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen: Wie schätzen Sie die österreichische Asylpolitik ein?:
Die menschliche Ebene ist unmenschlich. Es müsste nicht so sein. Es ist kein Wunder, dass die meisten NGOs nicht vom Staat finanziert werden. Das hat nicht nur finanzielle Engpässe zur Folge, sondern auch Personalmangel und Überlastung. Für anderes wird hundertfach mehr Geld ausgegeben. Natürlich kriegt man als Flüchtling ein Dach über dem Kopf, muss nicht an Hunger sterben. Toll finde ich, dass man kostenlose medizinische Betreuung bekommt. Selbstverständlich gibt es auch sehr engagierte Ärzte. Die andere Seite: Ich gehe als Dolmetsch mit meinen Klientinnen auch zum Arzt, wenn sie Angst haben, traumatische Erlebnisse hatten und dergleichen. Wir gehen ins Spital und werden meistens anders behandelt als Einheimische. Ich hatte Fälle, die wurden einfach wieder weggeschickt, Kinder mit Lungenentzündung wurden abgewiesen, andere von einem Auto angefahren, ohne dass der Fahrer stehen geblieben wäre. Wenn der Durchschnittsösterreicher diese Schicksale besser kennen würde, hätte er kaum je das Vorurteil: Die kriegen alles und wir nichts. Leider transportieren die Medien nichts anderes.
Meine Mutter fährt jedes Jahr nach Russland, ich war, seit der Eiserne Vorhang gefallen ist, zweimal dort. Das erste Mal fuhr ich, als unter Gorbatschow die Grenzen geöffnet wurden. Ich bekam einen psychosomatischen Anfall und hatte furchtbare Beschwerden. Dann stellte sich heraus, dass ich nicht zurückfahren konnte. Mein Ticket, dass ich in Wien gekauft hatte, war nicht gültig, sondern sicherte mir lediglich einen Warteplatz auf ein für Monate ausverkauftes Ticket. Ich saß fest, setzte Himmel und Erde in Bewegung, um doch noch heimzukommen. Am Ende legte ich eine sagenhafte Szene in der Botschaft hin, und sie stellten mir vorübergehend einen Diplomatenpass aus, sonst hätte ich kein Zug-Ticket zurück bekommen.
Ich war damals in meiner Punk-Phase mit blauen Haaren, Armee-Stiefeln, zerfetzten Strumpfhosen – und einem Diplomaten-Pass. Auf dem Weg zurück nach Wien saß ich im Abteil mit einem echten russischen Diplomaten, dem die Augen aus dem Kopf fielen, als er sah, wen die Österreicher als Diplomaten einsetzen.
Ebenfalls lesenswert: Ihre Antwort auf die von Interviewer Ernst Grabovszki gestellte Frage: Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen: Wie schätzen Sie die österreichische Asylpolitik ein?:
Die menschliche Ebene ist unmenschlich. Es müsste nicht so sein. Es ist kein Wunder, dass die meisten NGOs nicht vom Staat finanziert werden. Das hat nicht nur finanzielle Engpässe zur Folge, sondern auch Personalmangel und Überlastung. Für anderes wird hundertfach mehr Geld ausgegeben. Natürlich kriegt man als Flüchtling ein Dach über dem Kopf, muss nicht an Hunger sterben. Toll finde ich, dass man kostenlose medizinische Betreuung bekommt. Selbstverständlich gibt es auch sehr engagierte Ärzte. Die andere Seite: Ich gehe als Dolmetsch mit meinen Klientinnen auch zum Arzt, wenn sie Angst haben, traumatische Erlebnisse hatten und dergleichen. Wir gehen ins Spital und werden meistens anders behandelt als Einheimische. Ich hatte Fälle, die wurden einfach wieder weggeschickt, Kinder mit Lungenentzündung wurden abgewiesen, andere von einem Auto angefahren, ohne dass der Fahrer stehen geblieben wäre. Wenn der Durchschnittsösterreicher diese Schicksale besser kennen würde, hätte er kaum je das Vorurteil: Die kriegen alles und wir nichts. Leider transportieren die Medien nichts anderes.
adresscomptoir -
Oesterreich - Sa, 21. Mär. 2009, 15:36