NPL-Rezension von Wolfgang Göderles "Zensus und Ethnizität"
In der aktuellen Ausgabe von Neue Politische Literatur (61.2016, S.304f) rezensiere ich folgendes Buch:
Göderle, Wolfgang: Zensus und Ethnizität. Zur Herstellung von Wissen über soziale Wirklichkeiten im Habsburgerreich zwischen 1848 und 1910. Göttingen: Wallstein, 2016.
Die wichtigsten Passagen meiner Rezension:
Durchgängiges Merkmal der Arbeit ist die Anwendung des Vokabulars der von Bruno Latour und seinem Team entwickelten Akteur-Netzwerk-Theorie; dieses beherrscht Göderle souverän und setzt es auch systematisch ein; er kann damit überzeugend die Fruchtbarkeit dieses Ansatzes für die Analyse historischen Verwaltungshandelns klarmachen, warum allerdings in einer zentralen Schlussfolgerung plötzlich ein Begriff Lacanscher Psychoanalyse („Herrensignifikant“, S.280) Verwendung findet, bleibt unklar, genauso wie die pointilistische Bezugnahme auf den Kittlerschen Begriff der Aufschreibesysteme überflüssig erscheint, da diese an keiner Stelle weiter entfaltet wird.
Generell gilt, dass die vorliegende Studie an einem Missverhältnis zwischen theoretischem Apparat und präsentierten Quellenbefunden leidet: Letztere beruhen in erster Linie auf gedrucktem Material wie Gesetzestexten, Durchführungsbestimmungen, publizierten Sitzungsprotokollen sowie Zeitschriftenartikel und obwohl der Autor an verschiedenen Stellen darauf zu sprechen kommt, dass eine „enorme Menge an Archivalien“ (S. 148, vgl. auch 226) vorliege, injiziert er diese seiner Arbeit nur in sehr homöopathischen Dosen.
(...)
Göderles Buch liefert eine solide Grundlage für eine noch zu leistende, auf der Auswertung von Archivalien beruhende Untersuchung der habsburgischen Volkszählungen in der Endphase der Monarchie; es setzt einen theoretischen Rahmen, der durch Archivarbeit noch empirisch zu füllen ist.
Göderle, Wolfgang: Zensus und Ethnizität. Zur Herstellung von Wissen über soziale Wirklichkeiten im Habsburgerreich zwischen 1848 und 1910. Göttingen: Wallstein, 2016.
Die wichtigsten Passagen meiner Rezension:
Durchgängiges Merkmal der Arbeit ist die Anwendung des Vokabulars der von Bruno Latour und seinem Team entwickelten Akteur-Netzwerk-Theorie; dieses beherrscht Göderle souverän und setzt es auch systematisch ein; er kann damit überzeugend die Fruchtbarkeit dieses Ansatzes für die Analyse historischen Verwaltungshandelns klarmachen, warum allerdings in einer zentralen Schlussfolgerung plötzlich ein Begriff Lacanscher Psychoanalyse („Herrensignifikant“, S.280) Verwendung findet, bleibt unklar, genauso wie die pointilistische Bezugnahme auf den Kittlerschen Begriff der Aufschreibesysteme überflüssig erscheint, da diese an keiner Stelle weiter entfaltet wird.
Generell gilt, dass die vorliegende Studie an einem Missverhältnis zwischen theoretischem Apparat und präsentierten Quellenbefunden leidet: Letztere beruhen in erster Linie auf gedrucktem Material wie Gesetzestexten, Durchführungsbestimmungen, publizierten Sitzungsprotokollen sowie Zeitschriftenartikel und obwohl der Autor an verschiedenen Stellen darauf zu sprechen kommt, dass eine „enorme Menge an Archivalien“ (S. 148, vgl. auch 226) vorliege, injiziert er diese seiner Arbeit nur in sehr homöopathischen Dosen.
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Göderles Buch liefert eine solide Grundlage für eine noch zu leistende, auf der Auswertung von Archivalien beruhende Untersuchung der habsburgischen Volkszählungen in der Endphase der Monarchie; es setzt einen theoretischen Rahmen, der durch Archivarbeit noch empirisch zu füllen ist.
adresscomptoir -
Volkszaehlung - Di, 4. Okt. 2016, 09:17